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Aus dem Inhalt:
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Rolf Breuer: Einleitung,
p.377
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Andreas Bartels: Fiktion und Repräsentation (summary),
p.381
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Rolf Breuer: Von der Normabweichung zur Fiktionalität:
Zur Definition des sprachlichen Kunstwerks(summary),
p.397
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Urs Meyer: Fiktionen in der Werbung: Zur ikonischen
Repräsentation von ,wahr’ und ,falsch’ (summary),
p.411
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Joachim Schröter: Das naturwissenschaftliche Weltbild:
Wahrheit oder Fiktion? (summary),
p.431
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Erhebung
Anne Sauer: Semiotisch relevante Lehre an den Hochschulen Deutschlands, Österreichs
und der Schweiz, p.449
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Veranstaltungskalender; Förderpreis Semiotik der DGS;
Nachrichten aus der SGS/ASS; Vorschau
auf den Thementeil der nächsten Hefte
Andreas Bartels: Fiktion und Repräsentation
Summary. Fictional
representations which do not refer to any real object are a central obstacle for
any theory of representation, and particularly for similarity theories of
representation. Works of art are in many cases fictional representations, and
from this fact Nelson Goodman has drawn the conclusion that the concept of
representation must be replaced by the more general notion of exemplification.
The paper aims to show that, contrary to Goodman’s intention, exemplification
can be reconciled with representations conceived as structure-preserving
mappings. It is argued that scientific models can also be understood as
exemplifications of a (not necessarily denoting) structure. In the end, an
example from cognitive science is used to further strengthen these
considerations. Fictional representations do not present a problem with which
structural similarity theories of representation cannot deal.
Zusammenfassung. Fiktionale Repräsentationen, vor allem Repräsentationen,
die sich auf keinen realen Gegenstand beziehen, stellen eine Herausforderung für
jede Repräsentationstheorie dar, besonders für Ähnlichkeitstheorien der Repräsentation.
Nelson Goodman hat aus dem Umstand, dass Werke der Kunst in der Regel fiktionale
Repräsentationen sind, den Schluss gezogen, dass der Repräsentationsbegriff
durch den allgemeineren Begriff der Exemplifikation ersetzt werden muss. Der
Aufsatz versucht zu zeigen, dass die Beziehung der Exemplifikation, entgegen
Goodmans Intention, mit dem Begriff der Repräsentation als strukturerhaltender
Abbildung im Einklang steht. Es wird gezeigt, dass auch wissenschaftliche
Modelle als Exemplifikationen einer (nicht notwendig denotierenden) Struktur
verstanden werden können. Abschließend werden diese Überlegungen durch ein
kognitionswissenschaftliches Beispiel untermauert. Fiktionale Repräsentationen
sind kein zwingendes Gegenbeispiel, an dem eine strukturale Ähnlichkeitstheorie
der Repräsentation scheitern muss.
Rolf Breuer: Von der Normabweichung zur Fiktionalität: Zur Definition des
sprachlichen Kunstwerks
Summary. This
essay concentrates on the various ways in which literature has been
differentiated from non-literature. The criteria of differentiation show
themselves to be quite heterogeneous, even incommensurable. Older –
essentialist – theories, based on epic and lyric poetry, distinguished between
poetic and non-poetic forms of language. Later – relational – theories,
often based on the novel, have argued that it is the reference of language to
reality that distinguishes fiction from non-fiction. Still more recent theories,
accompanied by new forms of literature, see the difference in the eye of the
beholder or, rather, reader – and this is a pragmatic criterion for
differentiation. Since each perspective yields valuable insights, the question
is how the three criteria – essentialist, relational and pragmatic – relate
to one another and how writers have prompted, and reacted to, these theories.
Zusammenfassung. Im Folgenden möchte ich in groben Zügen darlegen, wie
sich die Auffassung von Literatur in den letzten Jahrhunderten verändert hat,
und speziell, was dabei die Kriterien der Abgrenzung der Literatur von anderen
Textsorten sind. Es wird sich zeigen, dass die Differenzkriterien für diese
Abgrenzung sehr verschiedenartig, ja inkommensurabel sind. Frühere Theorien
sehen den Unterschied in der unterschiedlichen sprachlichen Form begründet,
also in der Natur der Sache und können „essentialistisch“ genannt werden.
Andere Theorien, oft auf den Roman bezogen, sehen den Unterschied in dem
unterschiedlichen Wirklichkeitsbezug begründet, also in dem Verhältnis
zwischen Sprache und Sache, was ein relationistisches Kriterium ist. Und wieder
andere sehen den Unterschied ins Belieben des Betrachters gestellt, also in das
Verhältnis des Rezipienten zur Sache, offensichtlich ein pragmatisches
Kriterium. Da in allen drei Positionen etwas Richtiges gesehen wird, ist
weiterzufragen, wie sich die genannten essentialen, relationalen und
pragmatischen Kategorien zu einander verhalten. Dabei beschränke ich mich auf
,erzählende Textsorten’ und lasse das Drama beiseite, um die Argumentation
von den Spezifika einer ‚darstellenden’ Gattung zu entlasten.
Urs Meyer: Fiktionen in der Werbung: Zur ikonischen Repräsentation von
,wahr’ und ,falsch’
Summary. Fiction
in advertising is affected not only by legal but also by semantic and pragmatic
restrictions. Moreover, fiction in advertising is often produced by visual
rather than verbal means. Therefore, the issue of fiction has to be examined
from a semiotic perspective: What is the distinctive contribution that visual
images make to fiction? Advertising tends to avoid the question of truth in
order to increase its suggestive potential (even beyond the fictions of
‘everyday life’). Thus, the problem of reference has to be resolved in a
creative way, e. g., by referring to products iconically or symbolically.
Zusammenfassung. In der Werbung unterliegt Fiktion im Gegensatz zur Poesie
Einschränkungen juristischer, pragmatischer und semantischer Art. Werbefiktion
wird darüber hinaus meist durch visuelle statt sprachliche Mittel realisiert.
Die Frage nach der Fiktion muss deshalb aus einer semiotischen Perspektive
betrachtet werden: Was ist der spezifische Beitrag von Bildern zur Fiktion?
Werbung neigt dazu, der Wahrheitsfrage aus dem Weg zu gehen, um ihr
Suggestionspotential zu steigern (auch jenseits von ‚Alltagsfiktionen’). Das
Problem der Referenz muss deshalb auf kreative Weise gelöst werden, durch einen
ikonischen oder symbolischen Bezug auf das Produkt zum Beispiel.
Joachim Schröter: Das naturwissenschaftliche Weltbild: Wahrheit oder
Fiktion?
Summary. In this
essay the question concerning the role of fiction is directed at the world view
of the science of physics. A large part of the paper is devoted to establishing
a definition of this concept. The method applied towards establishing this
definition is a heuristics on the meta-level. It is shown that the concept of a
physical theory is a key notion for the understanding of physics as a whole.
This concept is explicated on the basis of the approach developed by Günther
Ludwig. Having introduced this concept one is able to classify those
propositions and terms which constitute the world view of physics in terms of a
language. It is shown that the philosophical concept of truth based upon the
so-called adaequatio formula is not appropiate for physics and the
physical world view. Contrary to this, the notion of fiction is seen to be
constitutive for all heuristic processes used to develop physical theories. But
the final goal of these processes is to establish a world view without fictions.
To conclude, it is argued that these results can be transferred to the other
natural sciences.
Zusammenfassung. Die Frage nach der Rolle von Fiktionen wird in diesem
Beitrag zunächst an das Weltbild der Physik gerichtet. Der Hauptteil des
Artikels ist der Kennzeichnung dieses Begriffs gewidmet. Die dabei angewandte
Methode ist eine Heuristik auf der Meta-Ebene. Es wird gezeigt, dass der Schlüssel
zum Verständnis der Physik der Begriff der physikalischen Theorie ist. Er wird
auf der Basis des auf Günther Ludwig zurückgehenden Theorienkonzeptes
entwickelt. In dem so abgesteckten Rahmen lassen sich diejenigen Aussagen und
Terme definieren, die das sprachlich formulierte physikalische Weltbild
darstellen. Es wird gezeigt, dass ein Wahrheitsbegriff nach der
adaequatio-Formel der Physik nicht angemessen ist. Denn die Fiktionalität ist
ein nicht zu eliminierender Bestandteil aller heuristischen Prozesse bei der
Entwicklung neuer physikalischer Theorien. Doch bleibt das Ziel in der Physik
die Gewinnung eines Weltbildes ohne Fiktionen. Diese Ergebnisse lassen sich auch
auf die anderen Naturwissenschaften übertragen.
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