Aus dem Inhalt
Aus dem Inhalt:
- Ulrich Baltzer: Ansatzpunkte einer Semiotik der Institutionen (Zusammenfassung)
- Gerhard Schönrich: Zur Ontologie der Institutionen (Zusammenfassung)
- Ulrich Baltzer: Symbol und Legitimität: Institutionelle Handlungen und
Normen (Zusammenfassung)
- Stephan Müller: Ritual und Authentizität: Institutionelle Ordnungen des
Mittelalters im Spiegel der höfischen Literatur (Zusammenfassung)
- Andreas Haltenhoff: Mythos und Handlung: Die „Sitte der Vorväter“ als
soziale Institution der Römer (Zusammenfassung)
- Einlage
Rainer Steinhart und Dagmar Schmauks: Ampelmännchen
(Zusammenfassung)
- Veranstaltungen; Veranstaltungskalender; 10. Internationaler Kongress der
DGS 2002; Vorschau auf den Thementeil der nächsten Hefte
Ulrich Baltzer: Ansatzpunkte einer Semiotik der Institutionen
Die Beiträge zu diesem Heft, die im Sonderforschungsbereich
537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ an der TU Dresden
entstanden sind, gehen von der Annahme aus, dass Institutionalität im
Wesentlichen ein semiotisches Phänomen ist. Welche Anknüpfungspunkte,
aber auch welche Vorteile ein solcher Ansatz mit Blick auf traditionelle
Konzeptionen besitzt, wird deutlich in einer Skizze der drei Haupttypen der
Institutionentheorie nach Luhmann, Berger & Luckmann und Gehlen.
Insbesondere wird sichtbar, wie ein semiotisches Institutionenverständnis
es ermöglicht, die Probleme zu vermeiden, die die traditionelle
Institutionentheorie in Verruf gebracht haben.
Gerhard Schönrich: Zur Ontologie der Institutionen
Die folgende Abhandlung geht nicht von einer fertigen
Institutionentheorie aus, um dann nach deren ontologischen Verpflichtungen zu
fragen, sondern versucht umgekehrt, anhand von Beispielen aus dem
Parlamentswesen mögliche Ontologien auf ihre Tauglichkeit für eine solche
Institutionentheorie zu prüfen. Dabei zeigt sich, dass unsere aristotelisch
geprägte Alltagsontologie mit ihrer Festlegung auf unabhängig in der Zeit
persistierende konkrete Einzeldinge als Paradigma der Wirklichkeit die
ontologisch entscheidenden Fragen nach den Identitäts- und
Individuationsbedingungen von Institutionen nicht befriedigend beantworten kann.
Eine Durchsicht der heute diskutierten Ontologietypen von monistischen Ansätzen
bis hin zu komplexen Sachverhaltsontologien führt schließlich zum
Konzept einer abweichenden Prozessontologie als aussichtsreichster
Kandidatin. In einer kritischen Diskussion wird deren Grundidee zwar bestätigt,
jedoch einer durchgreifenden semiotischen Revision unterworfen.
Ulrich Baltzer: Symbol und Legitimität: Institutionelle Handlungen und
Normen
Diese Abhandlung beantwortet die Frage, was institutionellen
Handlungen wie etwa der Fahrkartenkontrolle in der Eisenbahn ihre
Legitimität verleiht. Auf der Grundlage von Peirces Semiotik wird
nachgewiesen, dass jede institutionelle Handlung zeichenhaft strukturiert ist,
da sie auf andere Handlungen desselben Typs wie auch auf Handlungen anderer
Typen verweist, die alle wegen ihrer Bezogenheit auf eine sinnenfällige
Entität als Handlungen derselben Institution interpretiert werden. Dies
macht institutionelle Handlungen zu symbolischen Prozessen. Im Anschluss an die
philosophische Debatte über das, was es heißt, einer Regel zu folgen, wird
herausgestellt, dass die normativen Aktivitäten, die der Regelbefolgung ihren
normativen Status verleihen, sich als symbolische Prozesse im zuvor erläuterten
Sinn verstehen lassen. Institutionelle Handlungen besitzen folglich dank
ihrer symbolischen Struktur eine interne Relation zur Normativität.
Stephan Müller: Ritual und Authentizität: Institutionelle Ordnungen des
Mittelalters im Spiegel der höfischen Literatur
Ritualisierte Handlungsformen spielen in den
Institutionalisierungsprozessen der Kultur des Mittelalters eine dominante
Rolle. Die Untersuchung fragt nach dem Zeichencharakter dieser rituellen
Ordnungs- und Orientierungsleistungen und zeigt, dass Formen öffentlicher
symbolischer Kommunikation im Mittelalter nur partiell zeichenhaften Logiken
gehorchen. Dieser Befund betont die kategorial verschiedenen
hermeneutischen Rahmenbedingungen des Mittelalters, eröffnet aber auch die Möglichkeit,
durch die Beschreibung der pragmatischen Spielregeln ritueller Kommunikation
Sinnbildungsprozesse der mittelalterlichen Gesellschaft anzusprechen, wie in der
höfischen Literatur am Beispiel von Tristan und Parzival nachgewiesen wird.
Andreas Haltenhoff: Mythos und Handlung: Die „Sitte der Vorväter“ als
soziale Institution der Römer
Dieser Beitrag untersucht Struktur und Funktion des mos
maiorum, der ‘Sitte der Vorväter’ im antiken Rom. Als soziale Institution
war der mos maiorum um ein System sozialer Werte organisiert, das sich in
vorbildhaften Handlungsepisoden (exempla virtutis) symbolisch repräsentierte.
Auf der Grundlage eines an Peirce orientierten semiotischen Modells wird
gezeigt, auf welche Weise diese zur Stabilisierung des mos maiorum beitrugen.
Zugleich ergibt sich aus der Beschreibung ihrer Funktion innerhalb des
gesellschaftlichen Handlungs- und Kommunikationszusammenhangs der mythische
Charakter der exempla virtutis. Die spezifisch römischen Züge einer solchen
‘Mythologie des mos maiorum’ werden abschließend an Beispielen der
bewussten Neuprägung zweier überlieferter Erzählungen nochmals verdeutlicht.
Rainer Steinhart und Dagmar Schmauks: Ampelmännchen
Ampelmännchen fordern nicht nur im Straßenverkehr die Fußgänger
zum Gehen oder Warten auf, sondern haben vielfältige weitere Zeichenfunktionen.
Ein weltweiter Vergleich ergibt zwar große nationale Unterschiede, aber der
prototypische Ampelmensch ist überall männlich und meist jung und dynamisch.
Einerseits werden Ampelmännchen zunehmend standardisiert, andererseits gibt es
Designer, die den einzelnen Ampelmann als Individuum gestalten, das etwa durch
bestimmte Attribute mit seinem „Wohnort“ in Beziehung steht. Ferner erhalten
Ampelmännchen durch ihr Matertial einen individuellen „Körper“, der wie
jedes materielle Objekt altern und beschädigt werden kann. In den letzten
Jahren sind Ampelmännchen – nicht zuletzt durch die hier beschriebenen
Projekte – öffentlich stärker beachtet worden als zuvor. Folglich konnten
sie sich auch in der Werbung als Motiv etablieren, dessen Dialektik von
Fortschreiten und Verharren spontan verstanden wird.
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