De la clandestinité à la contrebande
Elsa Triolet – Louis Aragon



lendemains, 25. Jahrgang 2000/1
Heft 97
EUR 14,30
ISBN 978-3-86057-966-4


Dieses Heft bestellen


Dossier
Daniel Bougnoux (ed.)

Elsa Triolet et Argon: de la contrebande à la clandestinité (1940-1942)

Daniel Bougnoux : Introduction

Nicole Racine : Aragon et le Parti communiste français. 1939-1942 (Resümee)

Daniel Bougnoux : Zones libres et lignes de démarcation (Resümee)

Bernard Leuilliot : Cet instant de Nice qui est entre être et ne pas être … (Resümee)

Marie-Thérèse Eychart : Pour une littérature de contrebande : La mise à l’épreuve du texte dans Mille Regrets et Cheval blanc d’Elsa Triolet (Resümee)

Renate Lance-Otterbein : Écrire en quarante : «  faire quelque chose de rien ». Aurélien à la lumière des archives (Resümee)

Olivier Barbarant : La nuit en plein midi (Resümee)

Nathalie Piégay-Gros : La Chambre claire d’Henri Matisse (Resümee)

Jean Albertini : Un honnête homme, en 1941-42 … (Resümee)

Actuelles

Elisabeth Arend : Assia Djebar

Colloques

Joachim Schild: Deutsch-Französisches Doktorandennetzwerk der Sozialwissenschaften: Erfolgreicher Start eines Pilotprojekts

Carla Albrecht / Katja Marmetschke: Zukunft und Erinnerung
XVI. Frankreichforscherkonferenz (23.-25.6.2000, Ludwigsburg)

In Memoriam

Hans Ulrich Gumbrecht: Hedonistisch und theoretisch. Zum Gedenken an Brigitte Schlieben-Lange 25. September 1943 – 14. September 2000


Resümee: NICOLE RACINE: ARAGON ET LE PARTI COMMUNISTE: Die Periode, die nach der Demobilisierung Aragons im Juli 1940 beginnt und die die beiden mit Elsa in Nizza verbrachten Jahre, von Dezember 1940 bis November 1942, dem Zeitpunkt der Okkupation der Südzone, umfaßt, hat eine besondere Stellung in der manchmal komplexen Beziehung zwischen Aragon und seiner Partei, trotz seiner Treue seit dem deutsch-sowjetischen Pakt. Sie entspricht der Periode während derer er den Kontakt mit der Leitung der Intellektuellen der Nordzone verloren und wiedergefunden hatte. Jene Gruppe, vertrat bis zum Anfang 1941 eine unnachgiebige Linie, die die legale als eine Literatur des Verrats betrachtete. Aber, seit dem Sommer 1940, betreibt Aragon eine legale Schmuggel-Literatur, die in der Poesie eine ihrer Ausdrucksweisen findet. Das “Verschwinden” Aragons in die Südzone, seine Mitarbeit an legalen Veröffentlichungen machten ihn auf höchster Ebene des kommunistischen Apparates verdächtig, wie es Dokumente aus den russischen Archiven beweisen. 1941, vermutlich zwischen Mai und Juli, nimmt Aragon den Kontakt mit den Verantwortlichen der Intellektuellen der geheimen kommunistischen Partei wieder auf, und wird gebeten die Leitung der Intellektuellen in der Nordzone zu treffen. Da die Taktik des Front national für die Freiheit und die Unabhängigkeit Frankreichs im Mai von der Partei angenommen worden war, gelingt es ihm umso besser, seine Gesprächspartner zu überzeugen, die Linie der nationalen Union zu akzeptieren. Von nun an, offiziell von der Partei abgeordnet, ist Aragon damit beauftragt die Intellektuellen der Südzone zu vereinen, wo sich auf seine Anregung hin ein nationales Komitee der Schriftsteller der Südzone gründet.


Resümee: DANIEL BOUGNOUX: ZONES LIBRES ET LIGNES DE DÉMARCATION, zeigt zunächst die materiellen und moralischen Bedingungen des Paares auf, als es sich am 31. Dezember 1940 in Nizza niederläßt. Aragon hat nicht nur die Feuerprobe mit einem Heroismus bestanden, der ihm hohe militärische Auszeichnungen einbringt; der nationale Zusammenbruch wird für den engagierten Kommunisten durch eine tiefe moralische Krise verdoppelt, da es so schien, als ob der deutsch-sowjetische Pakt die vehemente antifaschistische Position seiner von nun an aufgelösten Partei verändert habe, und ihre Anhänger verfolgt wurden; die Rechte kann sich revanchieren, indem sie sie beschuldigt, objektiv gesehen mit den Besatzern gemeinsame Sache gemacht zu haben. Aber Aragon leistet sehr früh mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Widerstand: durch seinen physischen Mut während des eigentlichen Krieges, und dann, indem er das nationale Aufbäumen mit seinen Schriften organisiert. Die intensive Produktion Aragons in diesen dunklen – aber paradoxerweise für sein Genie günstigen – Jahren, schlägt im wesentlichen 4 Wege ein: die Verteidigung durch die Dichtung (“Pour un chant national”), die Aurélien-Verteidigung, die des Mythos mit dem er Elsa mehr und mehr umgibt, schließlich die Verteidigung durch
die Malerei seit seiner Begegnung mit Matisse Ende des Jahres 1941. Der Aufenthalt in Nizza bietet so die artistische und moralische Waffensammlung, die ein außergewöhnlicher Schriftsteller zu schmieden vermag, und gibt so eine Antwort auf Hölderlins berühmte Frage: “Wozu Dichter in dürftiger Zeit?”


RESÜMEE: BERNARD LEUILLIOT: CET INSTANT DE NICE QUI EST ENTRE ÊTRE ET NE PAS ÊTRE: Die Jahre in Nizza liegen in einer «Zwischenzeit», die von der Demobilisierung bis zum Eintritt in den Untergrund reichte, mit dem Horizont, und um sich der Herausforderung des Feindes zu stellen, der Dringlichkeit eines «nationalen Kampfes». Von Irrealität geprägt wie ein Shakespearischer Moment, «zwischen Sein und Nichtsein, und in der Hand den Schädel des armen Yorick», am Tag nach dem Debakel, das wie ein Verrat empfunden, als unerträglich gedacht und nicht ertragen wurde. Ein ungewisser Moment, gelebt in «der unbegreifbaren Furcht der Dinge des Alltäglichen». Man beschreibt das «seltsame Licht», wie in der «Nacht mitten am Tag», und die Enteignung des Selbst und der Welt, die diesen Augenblick zu dem macht was er ist. Diese Enteignung betrifft sowohl die «autorisierte» Sprache, die eigentlich vom Sieger konfisziert wurde, als auch «Gefühle», die unerlaubt wurden. Ihre Wiederaneignung setzt die Fähigkeit voraus, mit sich selbst und der Welt ins «Reine zu kommen» durch die Erfindung einer «doppeldeutigen» Schreibweise. Diese «indirekte Sprache» kann nicht auf den Gebrauch eines «geheimen Wortschatz» oder eines Kodes zurückgeführt werden, bei dem es genügen würde, den Schlüssel zu kennen. Alles an diesem Diskurs, und somit die Person selbst, von der er manchmal verlangt, sich in der Anonymität des Untergrunds nahezu aufzulösen, wird aufs Spiel gesetzt.


RESÜMEE: MARIE-THÉRÈSE EYCHART: POUR UNE LITTÈRATURE DE CONTREBANDE: Während man die Position Aragons kennt, der 1941 eine «Schmuggel-Dichtung» entwickelte, weiß man meistens nichts darüber, daß Elsa Triolet diese Rolle für die Romanliteratur spielte. In einer literarischen Landschaft wo die Schriftsteller entweder schweigen oder die Exotik, den Regionalismus und die pétainistische Werte kultivieren, schreibt Elsa Triolet, um mit verdeckten Wörtern das Desaster Frankreichs zu beschreiben und den «Leser-Komplizen» aufzurufen, sich der neuen Ideologie zu widersetzen. Von den Novellen der Mille Regrets, in denen sie die hoffnungslose Atmosphäre der Niederlage und der Okkupation beschreibt, bis hin zu Cheval blanc, das versucht zu erklären warum «wir dorthin gekommen sind», und zum Widerstand aufruft, betreibt Elsa Triolet das, was sie seit März 1941 «die Konversation auf Papier» nennt, die Unterhaltung von Leuten, die einen für andere unverständlichen Kode verwenden. Um die Spuren für die Zensur zu verwischen, manipuliert sie den Realismus wie das Spiel mit Legenden und Symbolen, um in diesen schwierigen Zeiten in legalen Veröffentlichungen weiter «gegen die Axt zu schreiben». Diese Position blieb in der Romanliteratur außergewöhnlich und originell.


RESÜMEE: RENATE LANCE-OTTERBEIN: IN DEN VIERZIGERN SCHREIBEN: «AUS NICHTS ETWAS MACHEN»: Im Gegensatz zu dem, was Aragon zwanzig Jahre später sagt, hat er Aurélien nicht während seines Aufenthalts in Nizza (Dez. 1940 – Nov. 1942) begonnen. Der Roman kann seine Qualitäten nicht aus einer Schreibweise gewinnen, die aus dem «Incipit» hervorging, denn das erste Kapitel ist ein Zusatz zum Manuskript in Heften (selbst eine bereinigte «avant-dernière»). Laut unveröffentlichten Briefen beginnt dieses Projekt bereits im Herbst 1940, vielleicht seit der Demobilisierung (31. Juli oder 1. August 1940) und wird seit dem Abschluß der Voyageurs de l’impériale sicherlich (innerlich?) vorbereitet, muß sich aber den Umständen anpassen (deshalb auch die Wahl des Materials: Hefte lassen sich gut mitnehmen und gut verstecken): Zensur, ungewisses Leben, Mangel an Dokumentation orientieren es auf das Thema Liebe und auf den Hintergrund der ersten Nachkriegszeit. Die intertextuellen Referenzen und der Rhythmus verweisen auf Racine. Diese Intertextualität kann als eine Lektion in Poetik gelesen werden, die Drieu la Rochelle erteilt wird.


RESÜMEE: OLIVIER BARBARANT: LA NUIT EN PLEIN MIDI: Indem er in Nizza Zuflucht suchte, lieferte sich Aragon dem Licht des Midi aus und entdeckt in der historischen Nacht der Okkupation die Farben von Matisse. Wie schreibt sich dieser Konflikt der Lichter in die Gedanken und Texte des Widerständlers und Schriftstellers ein? Der erste Teil von Yeux d’Elsa, eine Textsammlung aus der Zeit in Nizza, mit dem Titel «Les Nuits», hilft vielleicht zu verstehen, welchen Nutzen der Autor aus der chromatischen Spannung ziehen konnte. Von der poetischen Verwertung von Schwarzweiß-Fotografien bis zur Denunziation des Karnevals von Vichy, von dem Blau der Augen Elsa’s bis zu dem des mediterranen Himmels, eignet sich der Dichter in der Tat die Farben wie agierende Formen an, die ihren Beitrag dazu leisten, seinem Diskurs seine historische und politische Relevanz zu geben. Wenn ein berühmter Vers des Roman inachevé 1956 besagt, daß «Tout est affaire de décor», könnte es sein, daß 1942 alles eine Frage der Farbe war.


RESÜMEE: NATHALIE PIÉGAY-GROS: LA CHAMBRE CLAIRE D’HENRI MATISSE: Die Fotografien in Henri Matisse, roman erlauben es Aragon, erneut «die Komödie des Modells» zu spielen, der er im Matisse’s Atelier beiwohnte. Er zeigt so die realistische Verankerung von Matisse’s Malerei. Die Fotografien sind aber auch ein wesentliches Element der Mythologie des Malers; schließlich authentifizieren sie die Begegnung von Matisse und Aragon in Nizza 1942 und geben dieser Begegnung ein erhebliches Relief. Die Fotografien sind somit exemplarisch für die Einzigartigkeit dieses «Romans» in dem Malerei, Schreiben und Fotografie sich vermischen, um der Komplexität des Reellen, des Schreibens und der Erinnerung Ausdruck zu geben.


RESÜMEE: JEAN ALBERTINI: UN HONNÊTE HOMME, EN 1941–42 ist ein Versuch, die in ihrer Vielfalt erstaunliche Bilanz und die genaue Qualität der Widerstandsaktivitäten von Aragon, als eines kommunistischen französischen Schriftstellers, während der Zeit seines heiklen Aufenthalts in Nizza von Ende 1940 bis zur Okkupation der Südzone durch die deutschen und italienischen Truppen am 11. November 1942 «mit einem Blick» zu erfassen. Wenn ich nicht irre, ist dieses bisher nicht unternommen worden, und das ist bedauerlich, denn es ist sicherlich die einzige Möglichkeit, den Mut, die Intelligenz und das Genie Aragons als politisch Engagierter und Schreibender zu messen, der hier unter extrem schwierigen und gefährlichen Bedingungen zeigt, wessen er fähig ist.


Zum Seitenanfang

Bei Fragen oder Kommentaren zu diesen Seiten schicken Sie bitte eine E-Mail an:
info@stauffenburg.de
Copyright © 1996-2014 Stauffenburg Verlag
Letzte Änderung: 26.11.2016 10:12:00

AGB  –  Widerrufsbelehrung  –  DatenschutzerklärungImpressum