Herausgegeben von Alexander Ziem
Fußball als Leitdiskurs?
ZfS, Band 32, Heft 3-4/2010

ZfS, Band 32, Heft 3-4/2010, ca. 220 Seiten
EUR 50,00
ISBN 978-3-86057-915-2


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Aus dem Inhalt:
Alexander Ziem: Fußball als Zeichenprozess: Ansätze zu seiner diskursanalytischen Beschreibung (summary/Zusammenfassung)
Markus Stauff: Leistungsvergleich und Emotionalität: Die mediale Präsentation von Fußball (summary/Zusammenfassung)
Thomas Schierl und Mark Ludwig: Produktpolitik und visuelle Differenzierung im Fußball (summary/Zusammenfassung)
René Schiering: Bricolage und Ritualisierung: Zur Semiotik der Fan-Gesänge (summary/Zusammenfassung)
Alexander Ziem: Fußball als Interdiskurs: Lexikalische Felder, konzeptuelle Metaphern und Domänenmischung (summary/Zusammenfassung)

Einlage
Norbert Jesse und Norman Weiss: Vom Eisenfuß zum Flankenkönig? Roboterfußball als wissenschaftliche Herausforderung (summary/Zusammenfassung)
Werner Schäfke: Videospiele als Text aus der Perspektive der Editionswissenschaft (summary/Zusammenfassung)

Kritik
Jürgen Rauter: Julia Kristevas Intertextualitätstheorie: Widersprüche und Konsequenzen (summary/Zusammenfassung)

Diskussion
Gisela Kangler und Annette Voigt: Kann Wildnis Ökosystem sein? Kritische Reflexion eines widersprüchlichen Begriffspaars im Naturschutz (summary/Zusammenfassung)

Institutionen
Christian Trautsch: Das Semiotik-Forum im Internet

Nachruf
Rolf Hepp: „Soziosemiotik Interdisziplinarität Transdisziplinarität“. In memoriam Jeff Bernard (1943-2010)


Alexander Ziem: Fußball als Zeichenprozess: Ansätze zu seiner diskursanalytischen Beschreibung
Summary. The following article is an introduction to this issue of Zeitschrift für Semiotik. It is centered around the question in how far soccer is an interesting object of interdisciplinary discourse analysis. On the basis of Erwin Panofsky’s and Ludwik Fleck’s observation that, at a particular period of time, certain knowledge types have a dominating role in a society, it is argued that soccer has gradually evolved into an autonomous and highly differentiated part of contemporary European societies and now serves as a prevailing discourse in all of them. Soccer is thus an excellent example for what Jürgen Link has called “interdiscourse”. It is a key assumption of this issue that soccer is closely intertwined with other discourses such as economy, politics, media, and everyday culture.
Zusammenfassung. Dieser Beitrag führt in das vorliegende Themenheft ein. Er geht der Frage nach, inwiefern Fußball ein Gegenstand ist, den es sich aus diskursanalytischer Perspektive zu untersuchen lohnt. Ausgehend von der Feststellung des Kunsthistorikers Erwin Panofsky und des Wissenschaftstheoretikers Ludwik Fleck, dass es in jeder Epoche Wissensformen gibt, die andere dominieren, wird die These vertreten, dass Fußball in den heutigen europäischen Gesellschaften die Funktion von einer Art Leitdiskurs einnimmt. Voraussetzung dafür ist, dass sich Fußball allmählich zu einem eigenständigen und ausdifferenzierten gesellschaftlichen Handlungsfeld entwickelt hat. Fußball darf so als ein Paradebeispiel dafür gelten, was Jürgen Link „Interdiskurs“ nennt. Die Frage, inwiefern Fußball mit Spezialdiskursen wie Wirtschaft, Politik, Medien und Alltagskultur intensive Beziehungen unterhält, steht im Mittelpunkt des Themenheftes.


Markus Stauff: Leistungsvergleich und Emotionalität: Die mediale Präsentation von Fußball
Summary. With ist plentiful displays of emotions, football participates in many fields of meaning. Television in particular creates clearly defined images of emotions; their status, however, is ambivalent: They contribute to very specific communications on sports, at the same time alluding to discourses and meanings that are beyond sports. Thus, emotions in sports are much more than mere embellishments originating from commercialization. Using examples from the Soccer World Cup 2006, the paper shows that emotions contribute to a process of semioticizing which facilitates the ‘scientific’ comparison of performances that constitutes modern sports. Nevertheless, the visualization of emotions also opens this rationalized comparison of performances to cultural meanings that do not necessarily belong to this rather rational realm. Involving the codes of sports, science, common sense, and popular culture, the display of emotions intensifies the interconnection of specialist and interdiscursive modes of knowledge so characteristic for contemporary sports.
Zusammenfassung. Das Symbolisierungspotenzial des Fußballs ist eng mit der Inszenierung von Emotionen verbunden. Insbesondere das Fernsehen produziert in Fußballsendungen prägnante Bilder von Emotionen, die einen ambivalenten Status haben, insofern sie einerseits Teil der sportspezifischen Kommunikation sind und andererseits den Sport für vielfältige außersportliche Diskurse und Bedeutungen anschlussfähig machen. Emotionen sind somit weit mehr als nur der Kommerzialisierung und Personalisierung geschuldete „Ausschmückungen“. An Beispielen aus der Fußballweltmeisterschaft 2006 zeigt der Beitrag, dass Emotionen entscheidend zu dem Semiotisierungsprozess beitragen, der den für den modernen Sport konstitutiven Leistungsvergleich überhaupt erst ermöglicht. Gerade durch die Sichtbarmachung von Emotionen dringen in diesen Leistungsvergleich aber auch Semantiken anderer gesellschaftlicher Praxisbereiche ein. Die Inszenierung der Emotionen intensiviert, so die zentrale These, die den Mediensport insgesamt kennzeichnende Verschränkung von spezial- und interdiskursiven Wissensformen.


Thomas Schierl und Mark Ludwig: Produktpolitik und visuelle Differenzierung im Fußball
Summary. This article analyzes visual communication about soccer from a media-economic perspective. It describes the increasing commercialization of sports and media since the 1980’s, which led to a dominating role of pictorial representations with product-political relevance. In a second step, the article outlines a system of possible strategies of visualization and aesthetization for the sports media on the micro, meso and macro level. The development of these strategies is then examined on the basis of a longitudinal study about the content of soccer photos that were published in German national newspapers from 1955 to 2005. The results indicate a steadily growing symbiotic relationship between football, media, and the economy.
Zusammenfassung. Dieser Beitrag analysiert die visuelle Kommunikation über den Fußballsport aus medienökonomischer Perspektive. Er zeigt ausgehend von der zunehmenden Kommerzialisierung des Sport- und des Mediensystems seit den 1980er Jahren zunächst die gestiegene strategische Bedeutung der Kommunikation mittels bildlicher Darstellungen mit produktpolitischer Relevanz im Rahmen der veränderten Wettbewerbssituation des Fußballsports und skizziert anschließend auf der Mikro-, Meso- und Makroebene mögliche Visualisierungs- und Ästhetisierungsstrategien für den medial vermittelten Fußballsport. Die Entwicklung dieser Strategien wird dann anhand einer Längsschnittanalyse von Fußballsportfotografien in überregionalen deutschen Tageszeitungen von 1955 bis 2005 überprüft. Als Ergebnis werden Entwicklungstendenzen der Fußballberichterstattung in Richtung auf eine stetig wachsende symbiotische Beziehung zwischen Fußball, Medien und Wirtschaft aufgewiesen.


René Schiering: Bricolage und Ritualisierung: Zur Semiotik der Fan-Gesänge
Summary. This contribution analyzes the emergence and development of fan chants in soccer games. Based on a case study about the German soccer club FC Schalke 04, it shows that fan chants do not originate from rule-governed combination of generally accessible code elements, but from spontaneous synthesis of heterogeneous cultural practices in special situations. Having been accepted through repetition within regularly performed rituals, they guarantee and stabilize group coherence, and create and strengthen shared regional identity for the soccer fans. As is demonstrated, the emergence of a fan chant can be semiotically conceived as bricolage in the sense of Claude Lévi-Strauss and ist acceptance as ritualization in the sense of Irenäus Eibl-Eibesfeldt. The underlying case study opens a perspective on the cultural function of football as a socio-psychological medium of identification for the population of industrial areas.
Zusammenfassung. Dieser Beitrag untersucht die Entstehung und Entwicklung von Fan-Gesängen im Fußball. Er zeigt am Beispiel des FC Schalke 04, dass Fan-Gesänge nicht durch die regelgeleitete Kombination allgemein verfügbarer Kodebestandteile, sondern durch die spontane Zusammenfügung heterogener kultureller Praktiken in Ausnahmesituationen entstehen. Sie setzen sich durch Wiederholung im Rahmen regelmäßig stattfindender Rituale durch, gewährleisten bzw. sichern den Gruppenzusammenhalt und schaffen bzw. stärken eine gemeinsame regionale Identität für die Fußballfans. Wie gezeigt wird, lässt sich die Entstehung eines Fan-Gesangs semiotisch als Bricolage im Sinne von Claude Lévi-Strauss und seine Durchsetzung als Ritualisierung im Sinne von Irenäus Eibl-Eibesfeldt auffassen. Die zugrunde liegende Fallstudie eröffnet eine semiotische Perspektive auf die kulturelle Funktion von Fußball als sozio-psychologisches Identifikationsmedium für die Bevölkerung von Industrieregionen.


Alexander Ziem: Fußball als Interdiskurs: Lexikalische Felder, konzeptuelle Metaphern und Domänenmischung
Summary. This contribution considers the question to what extent socially relevant discourses such as economy, politics, and media are shaped by knowledge about soccer. It starts with a linguistic analysis of the lexical field of expressions which constitute the domain of soccer and then finds out that many other discourses apply these same expressions in a metaphorical way – which qualifies soccer as an “interdiscourse” in the sense of Jürgen Link. The paper ends by demonstrating how this function of soccer was instrumentalized by the German chancellor Angela Merkel at the 20th party convention of the CDU on November 27, 2006, where she held a speech presenting a legislative period as a soccer match.
Zusammenfassung. Der Beitrag geht aus linguistischer Perspektive der Frage nach, inwiefern Wissen über Fußball gesellschaftlich relevante (Spezial-)Diskurse wie Wirtschaft, Politik und Medien prägt. Ausgangspunkt der Untersuchung bildet eine Analyse der lexikalischen Felder von Ausdrücken, die in der „Fußballsprache“ gebräuchlich sind. Zeigt sich hier, dass Fußball ein Paradebeispiel für das darstellt, was Jürgen Link einen „Interdiskurs“ nennt, so führt eine anschließende Untersuchung von metaphorisch verwendeten Ausdrücken der Fußballdomäne zu dem komplementären Befund, dass diese in eine Vielzahl von Spezialdiskursen eindringen. Schließlich wird am Beispiel einer Rede, die die Bundeskanzlerin Angela Merkel am 27. November 2006 auf dem 20. Parteitag der CDU gehalten hat, das metaphorische Verständnis einer Legislaturperiode als eines Fußballspiels im Detail analysiert.


Werner Schäfke: Videospiele als Text aus der Perspektive der Editionswissenschaft
Summary. Video games can be regarded as variable texts. This is not only due to their interactive nature, but also to the changes achieved through patches, mission packs, and porting from one platform to another (such as from PC to Playstation or vice versa). These changes alter the basis of what becomes the game through the interaction between player and hardware. The present article reflects on the consequences of the variability of games’ texts for the analysis of video games, drawing on the “Wolfenstein” series as an example. In order to facilitate the description of variation in video games, a static model of game texts is constructed on the basis of the procedural model of game text presented by Neitzel (2000) and of text conceptions developed within editorial philology. This model is especially useful when variants of video games are put together in corpora in order to be analyzed from a comparative point of view.
Zusammenfassung. Videospiele lassen sich als variable Texte auffassen. Das gilt nicht nur auf Grund ihrer Interaktivität. So genannte „Patches“, „Mission-Packs“ sowie Portierungen von einer Plattform zur anderen (etwa von PC zu Playstation oder umgekehrt) verändern die Grundlage dessen, was in der Interaktion zwischen Spieler und Hardware als Spiel fassbar wird. Der vorliegende Beitrag reflektiert die Konsequenzen der Veränderlichkeit der Texte von Spielen für die Videospiel-Analyse am Beispiel der „Wolfenstein“-Spielereihe. Auf der Grundlage von Neitzels (2000) prozessualem Ansatz zur Analyse des Videospiels als Text und editionsphilologischer Textkonzeptionen wird ein statisches Modell konstruiert, das die vergleichende Beschreibung von Spiele-Varianten erleichtert – besonders dort, wo sie im Rahmen von Korpora in Videospiel-Analysen auftreten.


Jürgen Rauter: Julia Kristevas Intertextualitätstheorie: Widersprüche und Konsequenzen
Summary. Based on the principles of cognitive hermeneutics (Tepe 2001), this article discusses the scientific value of Julia Kristeva’s theory of Intertextuality, revealing problems and logical errors in this concept. It demonstrates that Kristeva’s concept of Intertextuality cannot maintain the promises made in form of a new 0/2-system, because it is framed in a 0/1-logic. The paper concludes that all academic work which is directly based on Kristeva’s theory of Intertextuality lacks in scientific status.
Zusammenfassung. Dieser Artikel, der auf den Prinzipien der kognitiven Hermeneutik (Tepe 2001) basiert, analysiert Julia Kristevas Intertextualitätskonzept, stellt seine inhärenten Probleme und logischen Widersprüche dar und beweist, dass dieses Modell den selbst gestellten Ansprüchen in Form einer 0/2-Logik nicht standhält, womit diese Form der radikalen Intertextualität – und jede darauf aufbauende Arbeit – ihren wissenschaftlichen Anspruch verliert.


Gisela Kangler und Annette Voigt: Kann Wildnis Ökosystem sein? Kritische Reflexion eines widersprüchlichen Begriffspaars im Naturschutz
Summary. This contribution discusses the way in which the concepts of “ecosystem” and “wilderness” are used in contemporary discourse about nature. It is shown that both occur in the context of professional nature conservation as well as in everyday conversations. This becomes problematic when they are used to refer to the same phenomena, since they carry meanings which exclude each other. While “ecosystem” connotes control, construction, and utilization of natural phenomena, “wilderness” connotes their uncontrollability, inaccessibility, and non-usability. Equating concepts with so divergent meanings cannot but immerse conservationists in goal conflicts and reduce the acceptance of their work in the minds of others. The paper thus shows how crucial the semiotic clarification of the relation between humans and nature is for a well-conceived behavior towards nature.
Zusammenfassung. Der vorliegende Beitrag untersucht den Gebrauch der Begriffe „Ökosystem“ und „Wildnis“ im zeitgenössischen Naturdiskurs. Wie gezeigt wird, kommen beide Begriffe sowohl im Kontext des professionellen Naturschutzes als auch im Alltagsgespräch vor. Das wirft jedoch Probleme auf, wenn sie dazu benutzt werden, dieselben Phänomene zu bezeichnen, denn ihre Bedeutungen schließen einander aus. Während zu „Ökosystem“ die Konnotationen Kontrolle, Aufbau und Nutzung natürlicher Phänomene gehören, konnotiert „Wildnis“ deren Unkontrollierbarkeit, Unverfügbarkeit und Unverwendbarkeit. Die Gleichsetzung von Begriffen mit so divergenten Bedeutungen kann die Naturschützer nur in Zielkonflikte stürzen und ihre Arbeit diskreditieren. Somit zeigt dieser Beitrag, wie wichtig die semiotische Klärung des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur für ein wohldurchdachtes Verhalten gegenüber der Natur ist.


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Letzte Änderung: 26.11.2016 10:12:00

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