Interjektionen
Herausgegeben von Sabine Kowal / Daniel C. O’Connell
ZfS, Band 26, Heft 1-2/2004

ZfS, Band 26, Heft 1-2/2004
EUR 35,00
ISBN 3-86057-955-X


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Aus dem Inhalt

Aus dem Inhalt:

Diskussion

  • Heidi J. Salaverría: Das Leib-Körper-Verhältnis und der Pragmatismus: Ein Forschungsbericht, p.129 (abstract/ Zusammenfassung)

  • Nicole M. Wilk: Leib, Selbst und Gefühl: Ihre Integrierbarkeit in eine Theorie des Verstehens, p.153 (abstract/ Zusammenfassung)

Veranstaltungen; Veranstaltungskalender; 11. Internationaler Kongress der DGS; Vorschau auf den Thementeil der nächsten Hefte.



Damaris Nübling, Die prototypische Interjektion: Ein Definitionsvorschlag
Summary. Interjections are often considered a dumping ground for particles which are otherwise difficult to classify. This paper investigates the interjectional spectrum ranging from primary (emotive) interjections (ach and au) and conative interjections (he, psst) to secondary interjections (oh Gott, Donnerwetter) and so-called uninflected verbs (ächz, würg). Interjections are also distinguished from primary sound-imitative onomatopoeia (tatütata), a category which is also subdivided. By means of a number of functional and formal criteria of either a mandatory or optional nature, the paper attempts to group all these units along with others around the prototypical center of interjections and onomatopoeic expressions; in this taxonomy, functional characteristics play a central role. The systematic consideration of all these determinants leads to a complex but more adequate structuring of the interjectional spectrum and excludes discourse markers h, ne) and baby talk (Wauwau for 'dog').
Zusammenfassung. Interjektionen werden oft als eine Art Sammelbecken anderweitig nur schwer einzuordnender Partikeln betrachtet. Der vorliegende Beitrag untersucht das interjektionale Spektrum, das von primären (emotiv-expressiven) Interjek tionen (wie ach und au) über Appellinterjektionen (he, psst) und sekundären Interjektionen (oh Gott, Donnerwetter) bis hin zu so genannten „Inflektiven“ (ächz, würg) reicht. Dieser Bereich wird von den primär schallimitativen Onomatopoetika (tatütata) abgegrenzt, die ihrerseits unterteilt werden. Anhand zahlreicher funktionaler und formaler Kriterien, die wiederum obligatorischer oder fakultativer Natur sein können, wird versucht, alle diese (und andere) Einheiten um das prototypische Zentrum der Interjektion und des Onomatopoetikums zu gruppieren; dabei wird den funktionalen Eigenschaften der Vorrang gegeben. Die systematische Berücksichtigung all dieser Determinanten führt zu einer komplexen, doch dafür adäquateren Taxonomie des interjektionalen Spektrums und schließt Gliederungs- beziehungsweise Gesprächspartikeln (äh, ne) und kindersprachliche Ausdrücke (Wauwau für ,Hund’) aus.


Chaiqin Yang, Interjektionen im Sprachvergleich: Deutsch versus Chinesisch
Summary. This paper contrasts German and Chinese interjections and onomato-poeia. The phonological, prosodic, graphic, morphological, and syntactic differences are presented systematically. As expected, particularly glaring differences are found in the written forms, as the two languages are based on vastly different writing systems: the primarily phonographic system of German is not as challenging as the ideographic Chinese system. Chinese interjections use a type of graphic “interjection indicator“. Chinese also has numerous methods of reduplication beyond those available in German. Chinese being a typologically isolating language, its interjections and onomato-poeia are syntactically fully integrated in contrast to German, which is a highly inflected language.

Zusammenfassung. Der vorliegende Beitrag kontrastiert deutsche mit chinesischen Interjektionen und Onomatopoetika. Die phonologischen, prosodischen, graphischen, morphologischen und syntaktischen Unterschiede werden systematisch herausgearbeitet. Besonders große Divergenzen treten erwartungsgemäß bei der Verschriftung auf, da jeweils diametral verschiedene Schriftsysteme zugrunde liegen: Das primär phonographische System des Deutschen bildet eine geringere Herausforderung als das ideographisch-syllabische Zeichensystem des Chinesischen. Bei Interjektionen greift das Chinesische zu einer Art graphischem Interjektionsindikator. Bezüglich der Reduplikation verfügt das Chinesische über mehr und andere Verfahren. Im Gegensatz zum flektierenden Deutschen sind die Interjektionen und Onomatopoetika des isolierenden Chinesischen syntaktisch voll integriert.


Bernd Pompin
o-Marschall, Zwischen Tierlaut und sprachlicher Artikulation:
Zur Phonetik der Interjektionen
Summary. On the basis of empirical analyses, the phonetic make-up of interjectional utterances is discussed in the framework of prosodic modulations of speech utterances. The phonetic structure of interjections varies continuously between canonical pro-nunciation of content words (secondary interjections) at one end and phonotactically aberrant quasi unarticulated vocal gestures (hezitation vocalizations) at the other end of the scale. A modelling of these phenomena according to the prosodic modulation of “articulatory tonicity“ is proposed.

Zusammenfassung. Die unterschiedlichen phonetischen Ausprägungen interjektionsartiger Äußerungen werden – anhand konkreter Analyseergebnisse von spontan-sprachlichem Material – unter dem Aspekt der im weitesten Sinn prosodischen Variation lautsprachlicher Äußerungen diskutiert. Die phonetische Ausprägung der Interjektionen reicht dabei von kanonisch korrekter Aussprache von Inhaltswörtern (bei sekundären Interjektionen) bis hin zu phonotaktisch defekten, quasi unartikulierten Lautgesten (zum Beispiel bei Verzögerungslauten), wobei die Übergänge zwischen diesen beiden Polen kontinuierlich verlaufen. Eine Modellierung dieser Phänomene nach der Prosodie des „artikulatorischen Tonus“ wird vorgeschlagen.


Sabine Kowa
l / Daniel C. O'Connell, Interjektionen im Gespräch
Summary. The following article analyzes a television interview of Günter Gaus with Katarina Witt in the series Zur Person. Three linguistic hypotheses regarding the use of interjections in oral discourse are empirically tested: (1) ÄH belongs to the word class of interjections (Ehlich 1986); (2) since interjections are not syntactically embedded, their production always involves isolation by preceding and following pauses from accompanying oral utterances (Ameka 1992, 1994); (3) the sentence substitutes ja and nein are functionally interjections when emotionally laden, and in this setting deviate in their phonetic realization from standard forms (Tesnière 1936). These hypotheses were examined with regard to the characteristic distributions of ÄH, interjections, and ja and nein in three positional categories, operationalized as follows: relative to articulatory phrases (initial, medial, final, or isolated); between or within turns; and at the beginning of quoted speech within a turn. The findings allow the rejection of all three hypotheses although, in the case of the third hypothesis, with some reservations regarding nein.

Zusammenfassung. In der vorliegenden Analyse eines Fernsehinterviews von Günter Gaus mit Katarina Witt aus der Sendereihe Zur Person werden drei linguistische Hypothesen über den Gebrauch von Interjektionen in mündlichen Äußerungen empirisch überprüft: (1) ÄH gehört in die Ausdrucksklasse der Interjektionen (Ehlich 1986); (2) da Interjektionen syntaktisch isoliert sind, werden sie in mündlichen Äußerungen immer durch vorausgehende und nachfolgende Pausen abgegrenzt (Ameka 1992, 1994); und (3) die Satzwörter ja und nein zählen zu den Interjektionen, wenn sie emo-tional aufgeladen sind und deshalb in ihrer phonetischen Realisierung von den Standardformen abweichen (Tesnière 1936). Diese Hypothesen wurden anhand der charakteristischen Distributionen von ÄH, Interjektionen und ja und nein in drei verschiedenen Positionskategorien überprüft: in Relation zu artikulatorischen Phrasen (initial, medial, final oder isoliert), zwischen oder innerhalb von Redebeiträgen und am Anfang zitierter Rede innerhalb eines Redebeitrags. Die Analyseergebnisse widerlegen alle drei Hypothesen mit Einschränkungen bezüglich der dritten Hypothese.


Claudia Schmidt
, Interjektionen im Zweitsprachenerwerb
Summary. In research on second language acquisition, units of spoken language such as interjections have for the most part not been taken into account. The reason for this neglect is primarily the strong emphasis given to syntax in the analysis of the process of second language acquisition. In foreign language teaching, a similar phenomenon is evident, despite the growing acknowledgement of the importance of communicative competence as a learning goal. The present article investigates the reasons for this lack of research and discusses some approaches to the acquisition of interjections. On this basis, suggestions are made for future research. Didactic proposals for dealing with interjections in foreign language instruction are developed on the basis of a case study of teaching materials for German as a Foreign Language.

Zusammenfassung. Einheiten der gesprochenen Sprache wie Interjektionen haben in der Zweitsprachenerwerbsforschung bisher kaum Berücksichtigung gefunden. Ursache hierfür ist vor allem die starke Syntaxorientierung bei der Analyse von Erwerbsverläufen. In der fremdsprachlichen Unterrichtspraxis zeigt sich trotz der zunehmenden Bedeutung der kommunikativen Kompetenz als Lernziel eine ähnliche Situation. Der vorliegende Beitrag untersucht die Gründe für dieses Forschungsdefizit und diskutiert einige Thesen zum Interjektionserwerb. Darauf aufbauend werden zukünftige Forschungsperspektiven entwickelt. Didaktisierungsvorschläge für die Behandlung von Interjektionen im Fremdsprachunterricht werden auf der Grundlage einer exemplarischen Analyse von Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrwerken gewonnen.


Dagmar Schmauks
, Die Visualisierung von Interjektionen in Werbung und Comic
Summary. The visualization of interjections in advertisements and comics is a special case of making audible phenomena visible. It is shown that this process consists of three steps: (1) In keeping with the phonology of the language in question, the sounds are first reproduced through speech. This is done either by introducing specific expressions (“crowing“) or by copying the sound as closely as possible (“cock-a-doodle-doo“). (2) Specific means of design are used in writing down these expressions, for example the multiplication of graphemes (“psssst!“, “oooooh!“). (3) Finally, visual for-matting frees interjections and sound expressions from the grid of the text. Variations in the sign's form, color, size, and orientation express additional characteristics of the original acoustic impression.

Zusammenfassung. Die Visualisierung von Interjektionen in Werbung und Comics ist ein Sonderfall der Aufgabe, Hörbares sichtbar zu machen. Es wird gezeigt, dass diese Umsetzung aus drei Schritten besteht. (1) Zunächst werden Geräusche – dem Lautsystem der betreffenden Sprache entsprechend – durch die gesprochene Sprache wiedergegeben, indem man eigene Ausdrücke einführt („krähen“) oder den Höreindruck so getreu wie möglich wiedergibt („kikeriki“). (2) Bei der Verschriftung dieser Ausdrücke werden spezielle Gestaltungsmittel eingesetzt wie etwa die Graphemballung („psssst!“, „oooooh!“). (3) Die Visualisierung schließlich löst Interjektionen und Geräuschwörter aus dem Raster des Fließtextes und gestaltet sie durch Variationen von Form, Farbe, Größe und Richtung der Zeichen derart, dass zusätzliche Aspekte des ursprünglichen Höreindrucks wiedergewonnen werden.


Heidi J. Salaverría
, Das Leib-Körper-Verhältnis und der
Pragmatismus: Ein Forschungsbericht
Summary. When it comes to the question of the body, contemporary philosophy tends to be split in two camps: While some philosophers concentrate on the external perspective of the physical body (Körper), others emphasize the internal perspective of the felt body (Leib). The pragmatist stance suggests a joint treatment of both aspects with a focus on their mutual relations and historical changes. Rather than being taken as fundamental, each aspect is regarded as a complex sign referring to the other within a variable somatic habit. In this way, pragmatism tries to avoid one-sided views such as those of reductive physicalism, linguisticism, or transcendental phenomenology. The somatic habit is conceived as dependent on social norms which are manifested in the actions of the felt physical body. In conclusion, it is proposed to apply pragmatism in the analysis of sports and thereby to gain new insights into the way in which the physical and the felt body interact in public life.

Zusammenfassung. Während die dualistische Tendenz in der Philosophie fortbesteht, entweder den Körper außenperspektivisch oder den Leib innenperspektivisch zu reflektieren, kann mit der Philosophie des Pragmatismus das Leib-Körper-Verhältnis in seinen Wechselbeziehungen transformativ in den Blick genommen werden. Dabei wird weder der Leib noch der Körper als unhintergehbar postuliert, sondern beide Perspektiven verweisen als variable Gewohnheiten semiotisch aufeinander. Damit wird eine Konzeption vorgeschlagen, die philosophische Vereinseitigungen zugunsten eines reduktiven Physikalismus, eines Sprachidealismus oder einer Leibtranszendenz umgeht und stattdessen den handelnden Leib-Körper mit seinen Gewohnheiten in den Vordergrund stellt. Diese leib-körperlichen Gewohnheiten inkorporieren überdies gesellschaftliche Normen als sozialen Habitus, der sich im handelnden Leib-Körper niederschlägt. Als Konsequenz wird eine Anwendung des Pragmatismus in der Sportwissenschaft vorgeschlagen, durch die sich neue Einsichten in das Leib-Körper-Verhältnis im öffentlichen Leben gewinnen ließen.


Nicole M. Wilk
, Leib, Selbst und Gefühl: Ihre Integrierbarkeit in eine Theorie des Verstehens

Summary. Within semiotic theorizing there are competing conceptualizations of the role the body plays in processes of human understanding. These conceptualisations differ in the ways in which corporeality, individuality, and subjectivity are connected with the usual semantic categories, but all of them run the risk of separating the world of facts from the world of perceptions. The author of the present contribution summarizes the semiotic reasoning developed in the 1990s concerning body signs and sign bodies, and proposes to integrate affects, emotions, and bodily perception as constitutive elements within a body-semiotic hermeneutic theory. For this purpose, she designs a psychoanalytically inspired model based on the assumption of language, self, and psyche mutually structuring one another.

Zusammenfassung. Bei der Auswertung der Forschungsliteratur zur Rolle der Leiblichkeit in semiotischen Verstehenstheorien stößt man auf konkurrierende Ansätze, die sich zumeist in der Art unterscheiden, wie das Leibliche, das Individualpsychische und das Subjektive zu bestehenden semantischen Kategorien hinzugerechnet werden. Durch diese Additionsverfahren jedoch drohen die Welt der Tatsachen und die Welt der Empfindungen weiter auseinanderzufallen. Unter Bezugnahme auf die von der Semiotik in den 90er Jahren angestoßenen subjekttheoretisch gewendeten Körperzeichen- und Zeichenkörper-Theorien schlägt die Autorin vor, Affekte, Emotionen und leibliches Empfinden als konstitutive Elemente in eine leib-semiotische Hermeneutik zu integrieren. Sie entwirft zu diesem Zweck ein von psychoanalytischen Sprachkonzepten inspiriertes Modell, das auf der Annahme eines prinzipiellen Struktur- und Bedingungsverhältnisses zwischen Sprache, Selbst und Psyche basiert.


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Letzte Änderung: 26.11.2016 10:12:00

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